Smarthome per Gedanke steuern

Smarthome per Gedanke steuern

Neurowissenschaftler am Deutschen Primatenzentrum entwickeln neue Versuchsumgebung um Bewegungspläne auch während des Laufens zu studieren

Durch den Raum gehen, um ein Licht anzuschalten – eine so einfache und alltägliche Tätigkeit erfordert sehr komplexe Berechnungen im Gehirn: Das Erfassen der Situation, die Steuerung des Gangs und die Planung der bevorstehenden Bewegungen wie die Armbewegung zum Lichtschalter. Neurowissenschaftler am Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung haben jetzt untersucht, in welchen Hirnarealen die Bewegungen für das Erreichen weiter entfernt liegender Ziele kodiert sind, die neben einer Arm- auch eine Gehbewegung erfordern, und wie die Bewegungen vor der Ausführung im Gehirn geplant werden. Dazu haben sie mit dem „Reach Cage“ eine neuartige experimentelle Umgebung geschaffen. Erste Ergebnisse mit Rhesusaffen zeigen, dass entfernte Bewegungsziele, zu denen die Tiere hinlaufen müssen, in den gleichen Bereichen im Gehirn kodiert werden, wie nahe Ziele und zwar bereits bevor das Tier zu laufen beginnt. Diese Erkenntnisse könnten genutzt werden, um Schnittstellen zwischen Gehirn und Maschine zu entwickeln und zum Beispiel durch reine Gedankenkraft intelligente Häuser (Smart Homes) zu steuern (eLife).

Unser hochentwickeltes Nervensystem ermöglicht vielseitige, koordinierte Bewegungsabläufe in einer komplexen Umgebung. Wie sehr das unser tägliches Leben beeinflusst, bemerken wir häufig erst, wenn uns bestimmte Bewegungen nicht mehr gelingen, zum Beispiel in Folge von Lähmungen durch Schlaganfälle. Ein neuartiger Ansatz, um den Patienten die Kontrolle über ihre Bewegungen zurückzugeben, wären Gehirn-Computer-Schnittstellen, die Signale im Gehirn auslesen können. Diese Signale könnten aber nicht nur zur Steuerung von Neuroprothesen verwendet werden, sondern auch für alle computergestützten Geräte wie Smartphones, Tablets oder ein Smart Home. Die Entwicklung von Gehirn-Computer-Schnittstellen basiert auf jahrzehntelanger Grundlagenforschung zur Bewegungsplanung und -steuerung in der Großhirnrinde von Mensch und Tier, insbesondere bei nicht-menschlichen Primaten. Bislang haben Wissenschaftler so die Planung kontrollierter Greifbewegungen zu nahen Zielen erforschen können. Diese Experimente erlauben jedoch nicht die Untersuchung der Handlungsplanung in größeren, realistischen Umgebungen, wie zum Beispiel in der eigenen Wohnung. Das Betätigen des Lichtschalters an der gegenüberliegenden Wand erfordert beispielsweise verschiedene Arten von überlappenden Bewegungen mit Koordination mehrerer Körperteile.

Experimentelle Einschränkungen hinderten die Wissenschaftler bisher daran neuronale Schaltkreise zu untersuchen, die an der Planung von Ganzkörperbewegungen beteiligt sind, da sich die Tiere während der Messungen nicht frei bewegen konnten. Die Beobachtung einer Kombination von Geh- und Greifbewegungen, wie beispielsweise bei weit entfernten Zielen, erfordert eine völlig neue Versuchsumgebung, die bisher nicht zur Verfügung stand. Der sogenannte „Reach Cage“ bietet jetzt eine Testumgebung, die es erlaubt, das Bewegungsverhalten zu registrieren, zu interpretieren und mit der damit verbundenen Hirnaktivität zu verknüpfen, während sich die Tiere unter hoch-kontrollierten Bedingungen frei bewegen können.

Für das Experiment wurden zwei Rhesusaffen darauf trainiert, Ziele in ihrer unmittelbaren Umgebung sowie in weiterer Entfernung zu berühren. Bei weit entfernten Zielen war eine Gehbewegung erforderlich, um sie zu erreichen. Durch Lichtsignale wussten die Tiere, welches Ziel sie berühren sollten. Mit mehreren Videokameras wurden die Bewegungen dreidimensional mit hoher zeitlicher und räumlicher Präzision beobachtet. Sogenannte Deep-Learning-Algorithmen wurden verwendet, um die dreidimensionalen Bewegungen von Kopf, Schulter, Ellbogen und Handgelenk automatisch aus den Videobildern zu extrahieren. Gleichzeitig wurde die Hirnaktivität völlig kabellos aufgezeichnet, so dass die Tiere zu keinem Zeitpunkt in ihren Bewegungen eingeschränkt waren. Durch die Messung der Hirnaktivität von Hunderten von Neuronen mittels 192 Elektroden in drei verschiedenen Hirnregionen ist es nun möglich, Rückschlüsse darauf zu ziehen, wie Bewegungen parallel geplant und ausgeführt werden.

Im Laufe des Trainings führten die Affen die Greif- und Gehbewegungen mit zunehmender Sicherheit aus und optimierten ihr Verhalten um eine hohe Präzision zu erreichen, auch wenn die Ziele in größerer Entfernung lagen. „In der Videoanalyse können wir die Bewegungen der Affen sehr genau nachvollziehen. Die kabellos aufgezeichneten Gehirnsignale sind so präzise und klar, dass die Aktivität einzelner Neuronen untersucht und mit den Bewegungen in Verbindung gebracht werden kann“, sagt Michael Berger.

Die Ergebnisse zeigen, dass motorische Planungsareale im Gehirn Informationen über das Ziel bestimmter Bewegungen verarbeiten, auch wenn sich das Ziel am anderen Ende des Raumes befindet und erst eine Ganzkörperbewegung erforderlich ist, um dorthin zu gelangen. Alexander Gail, Leiter der Forschungsgruppe Sensomotorik am Deutschen Primatenzentrum ergänzt: „Diese Erkenntnisse sind nicht nur wichtig, um die Ausfälle bei Patienten zu verstehen, die Schwierigkeiten bei der Planung und Koordination von Bewegungen haben. Die neuen Erkenntnisse könnten sich auch als besonders nützlich erweisen, wenn es darum geht, Gehirn-Computer-Schnittstellen für die Steuerung von Smart Homes zu entwickeln, bei denen Ziele wie Türen, Fenster oder Lichtschalter in einer komplexen Umgebung verteilt sind.“

Diese Forschung ist Teil des EU geförderten Projekts „Plan4Act“, in dem Projektpartner in Deutschland, Spanien und Dänemark an der Entwicklung von Gehirn-Maschine-Schnittstellen für intelligente Häuser arbeiten.

Fazit

Das Smartphone zur Steuerung des intelligenten Hauses hat ausgedient, jetzt wird mit Gedankenkraft geschaltet. Leider noch nicht ganz marktreif, aber sehr interessant.

Foto: Michael Berger, Copyright Deutsches Primatenzentrum GmbH

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